Dienstag, 19. August 2008

Vergesst Mankell!!

Ich lese Krimis. Seit ich meine Karl-May-Phase überwunden und in der bescheidenen Buchclubbibliothek meiner Eltern Alistair McLean und George Simenon entdeckt hatte, und spätestens seit ich feststellte, dass mich die sog. gute Literatur alleine nicht vollständig zufriedenstellt. Ich bin Schnellleser und möchte zur Entspannung in ein Buch eintauchen können. Bei Krimis gelingt mir das besonders gut.

Wie so viele andere (meiner Generation) war und bin ich von der Kommisar-Beck-Reihe von Maj Sjöwall und Per Walhöö begeistert. Die beiden haben den Schwedenkrimihype zu recht begründet. Danach habe ich so manchen Krimi schwedischer Autoren gelesen, natürlich auch Henning Mankells Wallander. Die Fernsehverfilmungen habe ich dank des großartigen Rolf Lassgård gut ertragen (der übrigens in einer der inflationären Kommisar-Beck-Fernsehhäppchen überzeugend den grimmigen Gunvald Larsson gab). Ich mag die Krimis von Mankell. Seine Wallanderkrimis kennzeichnen Schilderungen brutaler Gewaltverbrechen sowie eine bemerkenswerte Lebensuntüchtigkeit seines Helden, die diesem allerdings erst hilft, die Fälle auf seine Weise zu lösen. Kurt Wallander als gebrochener Held eignet sich nur sehr eingeschränkt zur Identifikation.

Daher war es wohl ein Seufzer der Erleichterung, der die Zeitschrift "Cosmopolitan" urteilen ließ: "Vergessen Sie Mankell! Leif GW Persson ist Schwedens bester Kriminaler" (zitiert von den Buchrücken der Persson-Bände bei BTB). Tatsächlich vermittelt Persson eine ganz andere Atmosphäre. Nicht nur sind die Fälle, die seine Protagonisten beschäftigen, weniger bluttriefend. Persson schreibt in einem lakonisch ironischen Stil, der sehr wohltuend ist, nachdem man die ernst gemeinte sozial- und systemkritische Betroffenheit von Sjöwall/Walhöö geteilt und anschließend überwunden hatte.

Wobei Persson Per Walhöö in bissiger Kritik nicht nachsteht. Aber er tut dies in einem sehr beiläufigen, fast plaudernden Ton. Seine Helden sind abgeklärt. Perssons Bücher werden des öfteren als viel zu langatmig und langweilig beschrieben, eine Kritik, die ich nicht nachvollziehen kann. Mir gefällt im Gegenteil diese epische Breite, in der Persson seine Geschichten sich entwickeln lässt. Mir gefällt, dass sich Teile der Handlung nur in den Gedanken der verschiedenen Akteure entwickelt, die sie für sich behalten. Man muß aufpassen und genau auf das achten, was zwischen den Worten zu lesen ist. Vieles wird auch nicht endgültig gelöst, sondern bleibt als Verdacht, als Hypothese im Raum stehen. Dieser Effekt ist durchaus beabsichtigt, wie Persson im Interview zugab: "Die besten Geschichten sind doch die, wo man nicht genau weiß, was daran wahr ist und was nicht".

In seinem Buch "Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters" liefert Persson eine Aufklärung des Palme-Mordes. Er zeigt den Vorzeigelinken Olof Palme als ehemaligen CIA-Zuträger und deutet auf ein Motivgemenge aus der Geheimdienstecke. Interessant wird das Geschriebene vor dem Hintergrund, dass Persson, Professor für Kriminologie, lange Jahre für die schwedische Polizei und das Innenministerium arbeitete. Auch der Band "Ein andere Zeit, ein anderes Leben" verarbeitet Zeitgeschichte, nämlich den Überfall deutscher Terroristen auf die deutsche Botschaft in Stockholm 1975. Hier geht es um Vergangenheitsbewältigung ehemaliger Linker, die sich in der schwedischen Gesellschaft etabliert haben und aufgrund des Mauerfalls und der Öffnung der Stasiarchive mit ihrer Vergangenheit konfrontiert werden. Äußerst lesenswert.

Hier eine Diskussionsrunde mit Leif GW Persson, in der es um den Palmemord geht (vielleicht versteht jemand Schwedisch?):



Dieses Video ist ein wenig älter, nämlich aus 1981, ebenfalls ein Fernsehgespräch (wir werden alle älter) :

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