Montag, 29. Dezember 2008

Der getrübte Blick

Rheintal im Dunst mit vierspuriger Bundesstraße

Die Sonne scheint, der Himmel ist wolkenlos - makellos. Nur wer in die Ferne schauen will, sieht sich beeinträchtigt. Der Blick ist getrübt. Das Ferne verschwimmt im Dunst, in diesen Tagen zwischen den Jahren. Nichts zu machen. Tote Tage, rauhe Nächte. Sie gehen vorüber. Schneller, als uns hinterher lieb ist.

Bei Martinsthal, Rheingau

Variation über einen Hochsitz im Gegenlicht

Variation über Hochsitz im Gegenlicht 2

Variation über Hochsitz im Gegenlicht 1

Variation über Hochsitz im Gegenlicht 3

Samstag, 27. Dezember 2008

Kalt und sonnig

Schloss Montabaur

Weihnachtstage mit Sonne. Auch anderen Ortes. Und kalt dazu. Schön.

Mittwoch, 24. Dezember 2008

Vierundzwanzig. Geschafft.

Adventskalender Ringkirche

Frohe Weihnachten

Freitag, 19. Dezember 2008

Konsumbarometer

Giraffen

Der Countdown läuft, die Shopper laufen sich warm. In der Fußgängerzone geht's lebhaft zu, aber es ist keinesfalls voll. Der Weihnachtsmarkt dagegen ist nahezu leer, nur wenige Ess-, noch weniger Kaufwillige. Im Unterschied zu Mainz am gestrigen Donnerstag. Auch die Schlangen an den Kassen des Buchkaufhauses sind kurz. Kommen die alle morgen in die Stadt?

Schöne Ecken

Mainz

By the way: Mainz ist auch nicht unbedingt erfreulicher als Wiesbaden.

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Es weihnachtet

Spiessbraten

Überall Weihnachstmärkte. Auch die benachbarte Landeshauptstadt hat einen. Ich bin heute dort vorbei gekommen und hatte schrecklichen Hunger. Der ließ sich auf dem Weihnachtsmarkt stillen. Ich mach's auch nur einmal im Jahr. Und es hat keiner gesehen.

Dienstag, 16. Dezember 2008

Herzlich willkommen

Parkhaus

Die Stadt heisst willkommen. Besonders die motorisierten Mitmenschen in ihren fahrbaren Untersätzen. Das Parkhaus Luisenforum kann für Kunden des dort befindlichen Supermarktes in der ersten Stunde kostenlos genutzt werden. Ein echter Anreiz. Dieser Abschnitt der Karlstraße ist aus seinem Dornröschenschlaf aufgewacht. Fußgänger aufgepasst, die Ein- und Ausfahrt ist schwer einsehbar und Autos haben nunmal keine Bremsen. Herzlich willkommen.

Montag, 15. Dezember 2008

Riesig

Riesenrad

Auf dem Mauritiusplatz steht ein Riesenrad. Ein wirklich großes. Man dreht drei Runden mit recht ordentlicher Geschwindigkeit, die vierte Runde geht schrittweise, weil dann die Körbe gewechselt werden. Das macht noch mehr Spaß, weil man dann Zeit hat, alles genau anzuschauen. Der Blick von oben auf die Stadt lohnt sich. Gerade wenn es dunkel ist und die Lichter leuchten. Wenn der Korb ganz oben zum stehen kommt, zittern die Knie beim Blick nach unten. Anschließend, beim Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt, läßt sich gut lachen, in der Erinnerung an die zitternden Knie hoch über der Stadt.

Riesenrad

Draußen



Vor der Tür das übliche Chaos. Nichts Neues also. Der Verkehr über die Schiersteiner raus hat sich allmählich beruhigt. Dafür ist der erste Ring Richtung Taunusbundesstrassen dicht. An der Ecke Rheinstraße blinkt ein blaues Licht. Immer wieder erschütternd, dass die Rettungswagen im Stau vor der Kreuzung Erster Ring/Schiersteiner nicht durchkommen, weil die Linksabbieger wegen der Radaranlage nicht auf die Kreuzung fahren. Man bekommt wenig mit in seiner Blechbüchse.

Gesundheit



Danke. Das ist die Ausbeute des heutigen Nachmittags. Ist halt gerade beste Apfelsinenzeit. Sauer und fruchtig. Und sie schälen sich leicht. Vorbeugen ist besser. Gesundheit.

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Marktgesetze

Jamie Oliver

Vor ein paar Jahren kamen unkonventionelle Kochbücher eines jungen englischen Kochs auf den Markt. Hat Spaß gemacht, das ein oder andere auszuprobieren. Heute kam ich an einem Zirkuszelt vorbei. Ich überlege, ob ich die Kochbücher ins Altpapier geben soll.

Alle reden vom Wetter

Wintereinbruch

Ja, es hat geschneit. Nein, der Schnee kam nicht besonders überraschend. In dieser Jahreszeit ist die Schneewahrscheinlichkeit recht hoch. Trotz unserer nimmermüden Anstrengungen, das Klima umzugestalten. Warum die Aufregung? Ein paar Schneeflocken müssen noch nicht notwendiger Weise ein Chaos auslösen. Dazu braucht es andere Auslöser: den Autofahrer, der seinen Wagen vor dem Start nicht vom Schnee befreit und schleicht, weil er nix sieht. Die Fahrerin mit Sommerreifen, die schleicht, weil sie glaubt, es sei sicherer, wenn ihr der nachfolgende Laster ohne Abstand folgt. Die Audibbmwmercedesdienstwagenfraktion, die sich auch bei Schneematsch noch mit Vollgas in die nicht vorhandene Lücke im Stau drängelt.
Ganz wichtig ist auch, dass die Radiosender für Panik sorgen. Alle reden vom Chaos. Dass es schneit, erschließt sich dem, der den Blick aus dem Autofenster riskiert. Das empfiehlt sich ohnehin beim Fahren. Wenn der Radiosprecher versichert, dass draußen Chaos herrscht, dann halten wir uns daran und machen Chaos. Und heute abend schauen wir uns im Fernsehen an, wie wir heute morgen im Stau gestanden haben.

Dienstag, 25. November 2008

Intermezzo

Schneewolken

Düster war es bereits den ganzen Tag über, und gegen die drückende Dunkelheit half nur ein wenig frischer Kuchen in einer kleinen Conditorei in der Nerostraße, die daherkommt, als habe sie seit vierzig Jahren jedem Trend widerstanden. Später wurde es noch dunkler, nicht, weil der ohnehin kurze Novembertag den frühen Abend beginnen wollte, sondern weil sich ein dunkles Wolkenband einfand. Die Luft roch nach Schnee.

Den Kampf gegen die dem Kuchen zu verdankenden Kalorien und gleichzeitig gegen die Novemberdepression nahm ich im Wald auf, laufend. Das letzte Tageslicht verschwand, um mich herum nur noch solche, die ihre Hunde Gassi führten. Es begann zu schneien. Jedoch im Wald war davon wenig zu spüren. Zurück am Parkplatz war das Auto mit einer weißen Schicht überzogen, die Straßen auch. Nicht nur die Kinder freuten sich, aber sie waren es alleine, die sich aufrappelten, den Schnee sofort mit einem Schneemann zu würdigen. Um ihn nachher aus dem Fenster heraus zu bewundern. Am nächsten Tag dann das übliche: der Schnee, sofern noch nicht von Autoreifen und Schuhen in Matsch verwandelt, schmolz. Jetzt ist er wieder weg. Vorerst.

Blaetter und Schnee

Dienstag, 18. November 2008

Herausragend

Wiesbadener Ansicht

Obwohl es in Wiesbaden mehrere recht große Kirchen gibt und diese an einem sehr tiefen Punkt der Stadt steht, bin ich doch immer wieder erstaunt, von wie vielen Stellen aus man die Marktkirche sehen kann. Und nicht etwa das katholische Pendant.

verstellter Blick auf die Marktkirche

Wo Künstler wohnen

Wiesbaden Künstlerviertel

A propos Architektur: Ein neues Stadtviertel entsteht nördlich des Rheingauviertels. Irgendwer gab ihm den schillernden Namen Künstlerviertel. Im Moment noch wäre der Name "Große Brache" angemessener.

Montag, 17. November 2008

Wiesbadener Ansichten

Wiesbadener Ansicht

Wiesbaden gilt als eine Stadt mit viel Grün und mit einem bemerkenswerten Bestand an klassizistischer Architektur. Je häufiger ich durch Wiesbaden gehe, desto mehr fällt mir auf, viele Beispiele architektonischer Entgleisungen in der Stadt herum stehen. An erster Stelle natürlich Wiesbadens Wolkenkratzer am Ende der Wilhelmstraße.

Wiesbadener Ansicht

Aber auch einige der Landesministerien sind preisverdächtig beim Wettbewerb für scheussliche Architektur. Und in den Seitenstraßen der südlichen Innenstadt, zwischen Gründerzeitvillen, stehen erschreckend viele Waschbetonungetüme herum, zu hässlich, als dass ich davon ein Bild machen wollte.

hässliches hessisches Innenministerium

Dabei geht es doch auch anders, wie der Neubau des Landtags zeigt. Trotz seiner Massivität integriert sich der Klotz in die Altstadt. Das Gegenüber von Zuckerbäckerfassaden und Zweckbaufront läßt sich ertragen, auch wegen der wohltuenden Breite des neu zurück gewonnen Platzes.

Hessischer Landtag

Freitag, 14. November 2008

Urbane Momente

Kleine Schwalbacher Straße, Wiesbaden

Ein Hauch von Veränderung weht durch die Stadt. Nein, nicht durch die ganze Stadt. Zum Beispiel durch die Kleine Schwalbacher Straße. Die habe ich als No-Go-Aerea in Erinnerung. Verdreckt, verfallen - wer hier leben musste, tat mir leid. Das war noch vor kurzem.

Heute ist die Kleine Schwalbacher nicht wieder zu erkennen. Renovierte Häuser, Geschäfte und Gastronomie. Eng, wie die Straße ist, wirken die Häuser höher, als sie sind. Bodenbelag und Wände in grauem Sandstein vermitteln einen südländischen Flair. Dazu passen die Lokale - ein Bistro und ein Café gegenüber.

Das Café ist schön, die Gäste kommen von selbst. Nur schade, dass es einmal mehr mit dem Service nicht klappt. Bestellen? Fehlanzeige. Zahlen? Später. Zuviel Chaos auf zu engem Raum. Dabei gibt es genügend Personal. Bei jedem hinzu kommenden Gast kann man die Veränderung der Gesichtszüge von freudiger Erwartung in Ärger beobachten. Schade. Hoffentlich ist das unter Startschwierigkeiten zu verbuchen.

Kleine Schwalbacher Straße, Wiesbaden

Montag, 10. November 2008

Zum In-die-Tischplatte-beißen



Twitter ist ja 'ne tolle Sache. Ohne Aufwand erfährt man, was andere Menschen bewegt, wohin sie sich bewegen - und was sie lesen. Manchmal nervt es allerdings, nämlich dann, wenn der fünfte Twitter, dem man folgt, in Folge twittert, dass Christiane zu Salm von Burda wieder weg geht. Okay, ich weiß es. Danke. Zufälliger Weise habe ich es schon bei turi2 gelesen und von horizont.net und dem w&v-Newsletter mitgeteilt bekommen. Information overload!

Freitag, 7. November 2008

Der späte Sieg des Abraham Lincoln



In einem der vielen begeisterten Artikel der letzten Tag erinnerte der Autor an den amerikanischen Sezessionskrieg von 1861-65. In der Tat wurde erst einhundertdreiundvierzig Jahre nach dem Ende dieses Krieges möglich, dass ein Mensch schwarzer Hautfarbe zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Erst oder schon? Viele haben gezittert, ob die Hautfarbe nicht doch noch ausschlaggebend für die Nichtwahl Obamas werden könnte. Irrtum. Veränderung findet statt. "Doch plötzlich kam wie aus dem Nichts dieser schlaksige, junge Kerl mit dem Mandela-Lächeln und dem muslimischen Namen und drückte im Lauf der Geschichte auf die Vorspultaste." [Andrea Böhm, Der weiß-schwarze Präsident. Die Zeit, Nr. 46/2008, S. 2] Kommentatoren nennen Obama in einem Atemzug mit Washington, Lincoln, Roosevelt und Kennedy.

Ich habe keine Heilserwartungen, ich werde nicht enttäuscht sein, wenn ein amerikanischer Präsident amerikanische Interessen vertritt. Trotzdem bin ich überzeugt, dass dieser Mann einen völlig neuen Akzent in der Weltpolitik setzen wird. Ich freue mich über seine Wahl und lasse mich von seinem Charisma mitreißen.

Schöne Photos aus Obamas unmittelbarer Umgebung auf Flickr, eine Zusammenstellung von Titelseiten amerikanischer Zeitungen bei Stefan Niggemeier "The face of change" und weitere beeindruckende Photos beim Boston Globe.

Dienstag, 4. November 2008

Die Grenzen der Selbstbedienung

Laugenbretzel

Im Supermarkt meines Vertrauens, fußläufig hier im Quartier gelegen, konnte man bis vor kurzem sich selbst an der Brottheke bedienen. Mit der Zange die Backware greifen, rein in die Tüte, diese in den Wagen und weiter geht's. Wenn nicht gerade jemand mit Entscheidungsschwäche oder verzögerter Motorik vor mir war, lief's erfreulich schnell. In den Städten verbreiten sich gerade ein paar Franchiseketten, die ebenfalls auf Selbstbedienung setzen, und dafür niedrige Preise bieten. Angesichts der Tatsache, dass einige der alteingessesenen Großbäcker für eine banale Semmel an die 30 Cent, für eine mit Vollkornanteilen gerne auch mal 60 Cent verlangen, eine echte Alternative.

Der Supermarkt meines Vertrauens, hier im Quartier, hat umgebaut. Seitdem gibt es die Backwaren nur noch an der Verkaufstheke, von der freundlichen Fachverkäuferin eingetütet. Jetzt ist wieder Anstellen angesagt und warten, bis die einsame Mitarbeiterin die Wartenden an der Brot- und der Fleisch- und Wursttheke abgearbeitet hat. Für mich ein Rückschritt.

Die Erklärung ist ebenso naheliegend wie deprimierend. Das Konzept der Selbstbedienung bei Backwaren wurde wieder abgeschafft, weil die Hygieneanforderungen nicht einzuhalten waren. Die Kunden, so die Verkäuferin, die mir das erklärte, fassten alles mit ihren Händen an, nicht nur das, was sie dann mitnahmen. Die Zange wurde auch nicht benutzt. So stellt sich der Konsument selbst ein Bein - oder ist es eine Form des Protestes gegen die Kultur der Selbstbedienung, ein Appell für mehr Servicekultur? Ich fürchte nein, obwohl die Verkäuferinnen im Supermarkt meines Vertrauens sagen, dass sie gerne wieder den Kunden das Brot reichen. Man kommt so auch wieder ins Gespräch miteinander. Wenn nur die Preise nicht steigen.

Samstag, 25. Oktober 2008

Abschied vom Jahr

Wein und,Wurst

Eine Rieslingschorle und dazu eine Bratwurst. Der Wein war gut, die Wurst unterdurchschnittlich. Aus dem Thema hätte man mehr machen können. Aber Grillen wird meines Erachtens ohnehin überschätzt. Jedenfalls gab es beides in Eltville am Rheinufer, und dazu einen schönen Platz in einem Stoffliegestuhl mit Blick auf den Rhein.

Rheinufer mit Schiff

Die Bratwurst war einem Appetit geschuldet, der sich zwischen Schierstein und Eltville gebildet hat. Während eines Spaziergangs am Rheinufer. Eigentlich war ich nur in der Gegend, um im Getränkemarkt meines Vertrauens die Mineralwasservorräte aufzufüllen. Statt zurück in die Stadt, lenkte ich mein Auto in Richtung Schiersteiner Hafen und stieg dort aus.

Baueme im Wasser

Das Wetter war zu schön. Jetzt ins Büro? Nein, es wird noch genügend Tage mit schlechterem Wetter geben. Am Hafen ein Eis kaufen, den Bootsbesitzern zuschauen, wie sie ihre Jachten für den Winter an Land ziehen. Runter zum Rhein. An einem Tag wie diesen möchte man die Rheinschiffer fast beneiden, ihre Art zu leben wirkt so frei.

Rheinschiff

Natürlich trügt der Schein, denn die Schiffer arbeiten und haben nicht die Zeit für Wein und Wurst. Ich schon, also bin ich wohl zu beneiden. Planlos den Rhein entlang. Ich sehe Störche und Kraniche. Bis Walluf nur zwei Kilometer. Keine Lust umzukehren, also weiter. Es geht sich wie von selbst und es gibt viel zu sehen. Irgendwann ist Eltville erreicht und besagte Lokalität mit dem Wein und der gebratenen Wurst. Und dem Liegestuhl mit Blick auf die Königsklinger Au.

Eltville

Es ist wie Abschied von diesem Jahr zu nehmen, sagt der Mann im Liegestuhl nebenan zu mir. Ob der Falter, der die Distel anfliegt, auch Abschied nimmt?

Falter

Freitag, 24. Oktober 2008

Übergang

Adolfsallee

Ich zähle zu den glücklichen Menschen, die morgens das Haus nicht allzu zeitig verlassen müssen. Wenn ich losgehe, haben die meisten schon ihren zweiten Büro- oder Sonstwokaffee zu sich genommen. Wie ich das früher hasste, vor Tag im Dunkeln und in der Kälte unterwegs zu sein. Aber sogar mir ist heute kalt, bei meinem nicht ganz so frühen Gang durch die Straßen. Den Mantel, den ich im Moment trage, nennen manche auch "Übergangsmantel", ein Kleidungsstück für den Übergang, für die klimatische Periode des Übergangs (eigentlich fühle ich mich permament im Übergang und wiege mich selten in vermeintlichen Sicherheiten). Wenn mir also in diesem Übergangsmantel schon zu kalt ist, scheint es wohl daran zu liegen, dass diese Zeit des Übergangs vorbei ist und der kalten Jahrszeit Platz gemacht hat.

Adolfsallee

In meiner katholisch-ländlichen Vergangenheit war es üblich, dass an Allerheiligen - für den Katholiken ein Feiertag, zu dem ein Kirchgang gehört - zur Wintergarderobe gewechselt wird. Nicht früher, aber auch nicht später. Das Wetter spielte keine Rolle. Und Allerheiligen ist bereits nächste Woche. Kein Wunder also, dass mich friert.

am Kaiser-Friedrich-Ring

Dienstag, 21. Oktober 2008

An der Nordseeküste

Pinguine

Die A3 hoch bis Bottrop, kurz auf die A2 und dann immer geradeaus nach Norden. Kaum eine Kurve, keine Steigung. Immer wieder überhole ich Autos, in denen die Fahrer am Steuer lesen. Große Gruppen von Windrädern. Durch die Grafschaft Bentheim, vorbei an Coesfeld, Lingen, Papenburg, vor Leer durch den Emstunnel, dann runter von der Autobahn, die Landstraße über Aurich hoch zur Küste, bis zum Deich, davor links abbiegen.

Kueste mit Windraedern2

Endstation Neßmersiel Hafen. Es ist wie ausgestorben. Das Gepäck in den Container stellen und den Autoschlüssel am Schalter abgeben. Der ist noch nicht geöffnet, zwei Männer schnacken auf Plattdeutsch. Der eine - Ostfriesen scheinen sämtlich große, freundliche Kerle zu sein - meint, er öffne, wann er Lust habe. Die Lässigkeit kann nur von dieser unglaublich flachen Landschaft herrühren, wo man - wie der Witz sagt - schon Mittwochs sieht, wer Sonntag zu Besuch kommt.

Nessmersiel kai

Der Bursche in der Bierwerbung behauptet auch, hier gebe es keine Hektik. Scheint zu stimmen, eine Umstellung für den Stadtmenschen. Aber die Landschaft beruhigt ungemein. Sie zieht mich in ihren Bann. Dieses Licht, diese Weite.

Ankunft der Faehre

Mit der Fähre geht es nach Baltrum. Die Fähre fährt nur, wenn genügend Wasser da ist, also wenn Flut ist. Obwohl die Fahrrinne ausgebuddelt ist. In der Regel fährt sie zweimal täglich. Auf Spiekeroog, wo es ähnlich zugeht, bringt ein eingewanderter Selfmademillionär die Insulaner in Wallung, weil er mit modernen Booten gezeitenunabhängig die Insel anfahren lässt. Auf Baltrum ist noch alles beim alten - zweimal täglich.

Watt vor Hafen

Baltrum ist wie Spiekeroog autofrei. Kein Auto weit und breit. Für die Gäste stehen Handwagen bereit, oder Pferdekutschen. Auch der Güterverkehr wird mit Pferdekutschen organisiert. Keine romantischen Kutschen aus dem 19. Jahrhundert, sondern moderne Transportwagen. Und schöne, kräftige Pferde.

Kutsche

Baltrum ist die kleinste dieser ostfriesischen Inseln. Ein Dorf in zwei Teilen, Westdorf und Ostdorf. In jedem Haus Fremdenzimmer. Hier leben fast 500 Insulaner. Der Auslauf ist begrenzt. Man trifft sich des öfteren. Wer hier Urlaub macht, entwickelt seinen Rhythmus. Morgens ins Dorf, mittags an den Strand, nachmittags ins Café Klüntje. Hier backen sie Kuchen, etwa aus Sanddorn, der in den Dünen wächst.

Sanddorn2

Der Kuchen schmeckt göttlich. Als ein Entgegenkommen an den Gast vom außerfriesischen Festland wird neben dem bitteren Friesentee auch Kaffee in den aktuellen Spielarten gereicht. Das Café befindet sich in einem der älteren Häuser der Insel, niedrige Decken und sehr gemütlich. Die Verwegeneren bleiben auf der Terrasse und dem Wind ausgesetzt. Dafür haben sie einen freien Blick auf den grandiosen, sich ständig ändernden Himmel.

Himmel


Nach Einnahme der obligatorischen kalorienreichen Nachmittagsnahrung treibt das schlechte Gewissen den Urlauber ins Naturschutzgebiet. Über die Salzwiesen in die Dünen, von dort aus an den Strand, diesen entlang zurück Richtung Westdorf.

Duene und Meer

Spätestens in den Dünen ist man wieder alleine mit sich und der Natur. Und erst recht am Strand, am östlichen Inselrand. Erst um die Strandzugänge bei Ost- und Westdorf herum ist man wieder im Getümmel.

Strand

Alles hat seine Ordnung. Hinweisschilder sortieren Hundebesitzer von Drachensteigern und diese von Badenden. Strandkörbe müssen gemietet werden und sind nach Gebrauch verschlossen. Jetzt, in dieser kühlen Jahreszeit, sind die wenigsten in Benutzung und so mancher steht unbesetzt offen herum. Wie schön, sich einfach in ihn hineinzusetzen und im Windschatten die Sonne und die Aussicht auf das Meer zu geniessen.

Strand mit Koerben

Frische Luft macht hungrig. Zum Glück gibt es auf Baltrum genügend Lokalitäten. Dank der klassischen Bildung aus den Asterix-Comics weiss man, dass dort, wo der Fisch vor der Haustür vorbeischwimmt, er nicht notwendiger Weise auf dem Tisch landet. Auf der Speisekarte ist jene andere Sorte Fischgericht illuster mit "Aus aller Welt" überschrieben. Ich ziehe die Nordseekrabben mit Rührei den vietnamesischen Garnelen vor. Und noch lieber sind mir Brathering, Bismark und Matjes - das friesische Sushi. Pils gegen den Durst - aber: nicht alles ist in Jeverhand.

Kirche und Inselglocke

Es könnte immer so weiter gehen. Morgens ins Westdorf, die Westspitze umrunden, dann an den Strand, zwischendurch auf einen Kaffee halten oder auf ein Bier einkehren. Nachmittags ins Klüntje, dann in die Dünen zur Ostspitze, zurück über den Strand, abends Fisch essen. Aber leider habe ich nur ein Wochenende zur Verfügung, und weil die Fähre nur zweimal fährt und der Heimweg weit ist, heißt es schon vormittags: runter von der Insel. Vorbei an der Sandbank vor der Nachbarinsel Norderney. Hier liegen Robben am Strand. Der Städter argwöhnt, man lege sie dort morgens hin und blase sie auf. Aber die wiederholten Urlauber behaupten, die Robben seien echt. Und tatsächlich bewegen sie sich manchmal ein wenig.

Robben

Das war's. Zurück auf dem Festland, die Zeit ist um. Dabei wäre es so gut gewesen, sich dem langsamen Takt der Insulaner anzupassen, ruhig und gelassen den Tag zu würdigen, sich an den ständigen Moinmoin-Gruß zu gewöhnen und Mittwochs schon zu sehen, wer Sonntags kommt. Statt dessen geht es zurück auf die Piste und bei Bottrop in den ersten Stau, der sich bis Wiesbaden nicht so richtig auflösen will. Ebenso wenig wie meine Beklemmung. Vielleicht sollte ich wieder hoch fahren, am besten am Mittwoch, damit sie wissen, dass ich am Sonntag da sein werde, am Strand und in den Dünen, im Klüntje und abends zum Hering essen.

Strand3