Sonntag, 31. August 2008

Wandern im Liesertal

Es kommt mir so vor, als sei Deutschland ein gastfreundliches Land geworden. Mit Einschränkungen: auf der Fahrt in die Eifel hatte ich mal vor, mal hinter mir ständig einen Leipziger Polizeibus, der endlich zum Flughafen Hahn abbog. Offenbar, um die ungastliche Seite dieses Landes zu zeigen.



Vom Umgang mit Menschen, die einer politischen Mehrheit im Lande gleichgültig ist, also unter Zähneknirschen und in Unkenntnis dieser speziellen Zusammenhänge, abgesehen, wenn auch mit einem deutlichen Stimmungsdämpfer, und zurück zu diesem sommerlichen Wochenende, kommt es mir so vor, als sei dies ein gastfreundliches Land geworden. Mir ist so, als sei ich noch vor zwanzig, dreißig Jahren lieber ins Ausland gefahren. Dort standen die Tische draußen, es gab nette kleine Hotels, die Köche boten ihren Ehrgeiz auf, man fühlte sich willkommen. Hier, so scheint mir in der Erinnerung, war dies alles nicht. Keine Tische, bestenfalls das "Draußen gibt's nur Kännchen", langweilige Küche, trister Wein, überwiegend Bier und Schnaps.



Bilde ich mir das nur ein, oder hat sich der Tourismus hierzulande gebessert? Ob ich in die Pfalz, an die Mosel oder in die Eifel fahre - überall finde eine bemerkenswerte Infrastruktur vor. Die Weine schmecken, statt immer nur Schnitzelpommes gibt's Vielfalt auf der Speisekarte, und man bekommt es leicht gemacht, das Land zu entdecken. Zum Beispiel durch gut beschilderte Wanderwege und Radstrecken.




Jetzt wieder war die Eifel dran, und dort die immer besser vermarktete Wanderung durch das Tal der Lieser von Daun nach Wittlich, aus Zeitgünden beschränkt auf die 26-Kilometer-Etappe von Manderscheid nach Wittlich. Manderscheid hat sich herausgeputzt, es ist Burgenfest. In Manderscheid liegt die Burg unten im Tal, im Liesertal, und der Ort oben auf der Höhe. Morgens um neun lagen die Ritter und Burgfräulein noch in ihren Betten, vereinzelte Wanderer steigen in den Lieserpfad ein. Der Nebel verzieht sich nur langsam, es ist feucht. Der Weg beginnt oben im Ort und bleibt lange auf der Höhe im steilen Hang, weit entfernt von der Lieser. Mehrere freistände Aussichtshütten geben den Blick frei ins Tal.



So müssen die Urwälder ausgesehen haben, bevor die Rodungen begannen. Der Weg ist schmal, zurecht heißt er Lieserpfad. Gehen ist nur hintereinander möglich, kommt jemand entgegen, heißt es ausweichen. Das fördert das Miteinander. Selten passiert man ohne Gruß oder Gespräch, besonders die Eifeler sind sehr freundlich, erkennbar an ihrem weichen, singenden Dialekt, sie sind in eigenen Geschäften unterwegs, die Bauern zum Mähen, andere haben mit der Angel Forellen gefischt. Die Nachbarn würden schon Schlange stehen, wenn er mit seiner Beute nach Hause kommt, sagt der Angler, und gibt noch Tipps für die weitere Strecke, insbesondere natürlich, wo es Einkehrmöglichkeiten gibt.



Irgendwann steht man am Ufer des Baches. Er ist über eine Brücke zu überqueren. Dahinter geht es steil den Berg hoch, der erste von drei ordentlich schweißtreibenden Aufstiegen. Denn das Tal ist unzugänglich. Man tut gut daran, sich an die Wege zu halten. Also hoch die Steigung, der Puls steigt, das Wasser läuft. Oben will die Aussicht genossen und Wasser zum neuerlichen Schwitzen nachgefüllt werden. Kaum zu glauben, wie hoch das jetzt schon wieder ist. Natürlich geht es jetzt wieder runter, in vielen Biegungen, die Orientierung, in welche Richtung es geht, ist schnell verloren, der Bach nicht mehr zu sehen. Wir folgen der Wegmarkierung.



Es ist ein sonniger und heißer Tag geworden. Unten das Tal ist über lange Abschnitte stockfinster. Es ist frisch und riecht gut. Wieder eine Brücke, hier ist der Bach breit und seicht, das Wasser schimmert bräunlich. Wo es fließt, ist es klar. Und es kühlt die Luft. An der nächsten Biegung, die Lieser mäandert fleißig vor sich hin, führt der Weg wieder weg vom Wasser und steil den Hang hinauf, um von oben wieder bemerkenswerte Blicke zu ermöglichen. Aber immer führt der Weg zurück zur Lieser.



Irgendwann passiert er eine Mühle am anderen Ufer, ein riesiges hölzernes Wasserrad ist schon von weitem zu hören. Dann ist der Weg gesperrt: Holzarbeiten. Baumstämme liegen gestapelt auf dem Weg, eine Motorsäge ist zu hören. Ein kleines Hinweisschild verweist auf eine Umleitung über Minderlittgen, sie kostet eine Stunde, und der Aufstieg ist anstrengend. In Minderlittgen gibt es keine Kneipe, nur eine Hochzeit in der Kirche und flirrende Sonne. Über die Felder führt der Weg zurück in den Wald und runter ins Tal. Die Pleinermühle haben wir verpasst, sie soll bewirtschaftet sein. Es ist zuweit zurück, also geht's weiter.



Unerwartet, denn die Wanderkarte ist zuende, taucht eine weitere Mühle auf, mit schattigen Bänken am Ufer, es gibt Radler und Cappucchino (die Zeiten des abgestandenen Filterkaffees sind auch im tiefsten Wald vorbei). Bis Wittlich nur noch eine Viertelstunde. Der 16-Uhr-Bus ist also machbar. Nicht so einfach ist es, die Bushaltestelle am Sportzentrum zu finden. Sie ist ganz unscheinbar, der Bus muß mitten auf der Straße halten. Wir warten auf den Bus und er kommt nicht. Fünf Minuten, zehn Minuten, zwanzig Minuten. Endlich kommt er, ein Bus mit Fahrradanhänger, der Hänger voll mit Rädern, der Bus voll mit Radfahren.



Dreifünfundsechzig bis Manderscheid. Der südländische Busfahrer fährt die Strecke wahrlich nicht zum ersten Mal. Er nimmt die Kurven, die es mehr als reichlich gibt, mit hohem Tempo, berghoch, bergrunter, die rechte Hand bleibt permanent auf der Kassenablage liegen, der Bus schaltet automatisch. Die Kurven werden immer enger, der Bus samt Hänger benötigt jeden Millimeter vom Abgrund bis zum Felsen, der Gegenverkehr wartet brav in sicherem Abstand. Mein Puls steigt, der des Busfahrers offenbar nicht. In Manderscheid ausgestiegen, wackeln die Knie nicht nur wegen des stundenlangen Wanderns.

Donnerstag, 28. August 2008

Geburtstag



Er hat heute Geburstag. Besser gesagt, er hätte heute Geburstag gehabt. Geboren in Frankfurt, hier. Gestorben in Weimar. Unser Dichterfürst. Übrigens ist das Geburtshaus einen Besuch wert.

Mittwoch, 27. August 2008

Heute findet der Sommer statt


Heute ist Sommer. Heute findet er statt. Da draußen. Und ich bin hier drinnen, im Büro. Wenn ich hier raus gehe, ist der Sommer schon weiter gezogen. Weiter nach Westen. Aber die Wärme lässt er hier, und das Gefühl, dass er hier ist. Noch immer, und hoffentlich noch lange.

Montag, 25. August 2008

Sonntag, 24. August 2008

Pfifferlinge



Die Pfifferlinge bei Tegut stammen laut Auszeichnung aus Litauen. Das schreckt ab. Pilze sind sehr empfänglich für radioaktive Strahlung. Hat das Baltikum vor 22 Jahren bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl nicht auch die volle Ladung abbekommen? Verkauft Tegut verstrahlte Pilze? Was bedeutet der Hinweis auf regelmäßige Prüfung? Ich mag Pifferlinge, ich will Vertrauen in die angebotenen Lebensmittel haben. Ich nehme sie mit.

Die Irritation bleibt. Ich google nach Pilzen und Bestrahlung. Viele Ergebnisse, Warentest, Ökotest. Demnach kann man Pilze großenteils gefahrlos genießen, auch solche aus den baltischen Staaten - eher noch als bayerische, lese ich, weil damals mehr Fallout über Bayern als über dem Baltikum niedergegangen sei. Aha. Gezüchtete Pilze seien ungefährlicher als wild wachsende. Ich kann mir kaum vorstellen, dass diese litauischen Pilze im Wald gepflückt wurden. Also los, essen. Zusammen mit Schweinefilet, in Weißwein und sauer Sahne. Dazu Spätzle. Sehr gut. War das jetzt vernünftig?

Samstag, 23. August 2008

Samstag


















Heute musste ich zum Getränkemarkt und habe dafür das Auto unter den Bäumen hervorgeholt. Die Bäume und die Vögel auf den Bäumen haben mal wieder ganze Arbeit geleistet. Als ich an einer Tankstelle vorbei komme, nutze ich die Gelegenheit: in die Waschstraße. Ich hätte gedacht, dass die Waschstraßen voll sind mit samstagsflüchtigen Männern, die häufiger ihre Autos als sich selbst waschen? Aber nein, links ein Renault, rechts ein hübscher alter Silver Shadow. Und dann ich. Gleich zwei typische Männerbeschäftigungen an einem Samstag: Getränke holen (nein, kein Bier) und Auto waschen. Ich glaube, es hat mich niemand erkannt. Ich war ganz erleichtert, als ich wieder am Schreibtisch saß.

Freitag, 22. August 2008

Lemminge


Schön, dass die Ferien vorbei sind. Die Autobahn lässt sich wieder gefahrloser nutzen. Die überladenen Familienkutschen auf der mittleren Spur mit den unbenutzten Rückspiegeln sind wieder verschwunden. Spon liefert neue Erkenntnisse über einen beliebten Aufenthaltsort unserer mobilen Zeit, den Stau. Obwohl bei einem Stau die Neigung besteht, sensationsheischend auf eine mögliche Unfallursache dem Stauende entgegen zu stehen, hat es sich doch herumgesprochen, dass Staus immer mehr aus dem Nichts heraus entstehen.

Aus dem Nichts? Nein, aus dem Gegenteil, aus dem Zuviel, dem Zuviel an Autos, die sich zur gleichen Zeit auf einem beschränkten Raum aufhalten. So lange es rollt, ist es gut. Aber da wir alle selbst das eigene Gaspedal betätigen, kommt es zu abweichendem Fahrverhalten. Der eine bremst, der hinter ihm Fahrende hängt dicht drauf und muss auch bremsen. Dessen Hintermensch auch und so fort. Rasch wird aus dem fließenden Verkehr ein stehender. Im weiteren verschiebt sich die Ursache von vorne - der Verursacher ist längst weg - nach hinten. Erst wenn der nachfolgende Verkehr nachlässt, kann sich der Stau auflösen.

Was nichts bringt, sagen Verkehrsforscher, ist die Flucht: Wer von der Autobahn abfährt, gerät auf kleinere Straßen und wird durch geringere Kapazitäten, Ampeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen weiter ausgebremst. Wer taktiert und die Spur wechselt, bringt zwar seine Adrenalinproduktion (und die seiner ihn umgebenden Mitmenschen) auf Trab, nicht aber sein Auto. Im Gegenteil, aus den neuerlichen Spurwechseln resultieren weitere Bremsmanöver der Nachfolgenden mit der bekannten Konsequenz. Was bleibt, ist Ruhe und Spur bewahren. Wenn auch das Gefühl trüge, sprächen die Fakten eine andere Sprache: Wer Route und Spur beibehält, kommt statistisch gesehen schneller ans Ziel.

Ein gut gemeinter Typ ist in der Realität zum Scheitern verurteilt: Abstand zum Vorderwagen halten, damit man selbst nicht so schnell bremsen muss, wenn der bremst. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass der Versuch, einen vorgeschriebenen Abstand einzuhalten stets dazu führt, dass diese Lücke durch Spurwechsler schnell wieder geschlossen wird. Und das Bremsen kann weiter gehen.

Wir sollten uns nichts vormachen. Wir brauchen den Stau. Er zeigt uns, dass wir - im Stehen - in Bewegung sind, dass wir drängen, weiter zu kommen. An den anderen vorbei, nach vorne, ans Ziel. Und ans nächste Ziel. Das tun wir schon, seitdem wir aufrecht gehen können. Täten wir es nicht, wäre Europa heute noch unbesiedelt. Wir sehen uns im Stau.

In der Strömung



Heute ist Freitag. Während der öffentliche Dienst sich an diesen Tagen in Ruhe auf das Wochenende vorbereitet - so sagt man -, geht es bei uns erst richtig rund. Ich komme mir manchmal vor wie Beuys' Elch.

Donnerstag, 21. August 2008

Nachruf



Mein ständiger Begleiter über 4 Jahre und 8 Monate hat viel zu früh seine Tätigkeit eingestellt. Jedoch verständlich angesichts der permanenten unverträglichen Mixtur aus Sand, Staub, Wasser und Erschütterung. Die Qualität der Photos war hervorragend, die Dateien dank heute bescheiden daher kommender 4 Megapixel klein und handlich, somit Speicherkarten und Festplatten schonend. Der Nachfolger ist bereits im Einsatz, weniger als 8 Megapixel waren nicht zu bekommen. Dafür liefert Herr Leitz die Optik. Mal sehen, ob sie dem Vergleich standhält.

Unangemessen



















Ein katholischer Priester, dazu noch der Bezirkschef in Wetzlar, hat im Wetzlarer Dom ein homosexuelles Paar gesegnet, das zuvor standesamtlich geheiratet hatte. Der Bischof von Limburg ließ anschließend verlauten, dass die katholische Kirche sich verpflichtet sähe, Homosexuelle "angemessen" seelsorglich zu betreuen. Aber eben nicht durch eine Segnung, denn das verbiete die kirchliche Lehre. Der Priester, ein gestandener, unermüdlich für die Kirche aktiver 55Jähriger, wurde von seinem Amt als Dekan abberufen, weil der Bischof "weiteren Schaden" von der Kirche abwenden will. Ein evangelischer Kollege nahm übrigens auch teil. Was sagt der Kirchenpräsident?

Uniform
















Für mich seht Ihr alle so gleich aus mit Euren Jackets, sagte die junge blonde Bedienung in der Wiesbadener Inkneipe zu der Gruppe der Endvierziger, um alsbald wieder mit der Masse ihrer Viellingsschwestern zu verschmelzen.

Mittwoch, 20. August 2008

Elchtest nicht bestanden


















Eben wird der übliche Geräuschpegel draußen auf dem Ring von einem lauten Knall unterbrochen. Danach ist Stille. Der Blick aus dem Fenster zeigt: Der Elchtest wurde neuerlich nicht bestanden.

Die Kunst stand im Weg



Der Wiesbadener Kunstsommer 2008 ist längst vorbei. Trotzdem sei die kleine verspätete Rückschau gestattet. Ich hatte den Kunstsommer ständig vor Augen, aber ich habe nichts davon mitbekommen. In der Zeitung las ich, dass die Veranstalter einen Erfolg feierten. Es seien viele Besucher gekommen. Gut, ich halte nicht ständig die Nase aus dem Bürofenster, aber der Grünstreifen am ersten Ring war während des Kunstsommers genauso menschenleer wie sonst auch. Wer hält sich auch freiwillig am ersten Ring auf? Und geht dann noch auf den Grünstreifen, umgeben von zweimal drei Fahrspuren, auf denen Tag und Nacht Autos entlang rasen? Oder waren Krach und Abgase Teil der Installationen?

Das ist so typisch für diese Stadt (möchte ich nach fünf Jahren ständigen Aufenthalts behaupten): das Auto hat Vorrang. Also ist es nur konsequent, wenn der Kunstsommer autogerecht ausgerichtet wird. Und folglich waren die Exponate derart konstruiert, dass sie vom Auto aus vollständig erfasst werden konnten. Auch bei hoher Geschwindigkeit. Das ist ein Erfolg. Und die Kunst stand nicht im Weg. Oder doch gerade.

Können Tiere Schilder lesen?



Der ICE ist in der letzten Zeit ein wenig in Verruf geraten. Der Bahnchef trägt mit dem Zurückweisen der Forderung nach mehr Kontrolle nicht gerade dazu bei, das Image der Bahn zu verbessern. Zwar ist der katastrophale Unfall von Eschede schon zehn Jahre vorbei, aber mir zumindest ist er ständig gegenwärtig, wenn ich einen ICE sehe. Und der Unfall mit den Schafen gibt erst recht Anlass zur Sorge.

Neulich bin ich an der ICE-Trasse durch den Westerwald vorbei gekommen. Die Strecke ist in weiten Abschnitten untertunnelt, sie führt jedoch ebenerdig durch die Täler durch. Die Streckensicherung ist auch nicht grundlegend anders als bei der alten Schienenbusstrecke nebenan. Keine Absperrung, kein Zaun. Können Tiere Schilder lesen? Wer Böses vorhat, wie wird er aufgehalten? Dadurch, dass die Bundespolizei ein- oder zweimal täglich eine Streife vorbeischickt? Aus welchem Grund sagt man uns Deutschen nach, wir seien Perfektionisten?


Dienstag, 19. August 2008

Regentag im Sommer



Heute schaut es draußen düster aus, und es regnet, was runterkommt. Ausgerechnet heute muß ich das warme und trockene Büro verlassen und in die benachbarte Landeshauptstadt fahren. Heute ist nicht der erste Sommertag, an dem es regnet. Dieses Bild ist vor ziemlich genau einem Jahr entstanden, hier aus meinem Bürofenster heraus. Nur für den Fall, das wieder jemand kommt, und sich über diesen Sommer beschwert.

Vergesst Mankell!!

Ich lese Krimis. Seit ich meine Karl-May-Phase überwunden und in der bescheidenen Buchclubbibliothek meiner Eltern Alistair McLean und George Simenon entdeckt hatte, und spätestens seit ich feststellte, dass mich die sog. gute Literatur alleine nicht vollständig zufriedenstellt. Ich bin Schnellleser und möchte zur Entspannung in ein Buch eintauchen können. Bei Krimis gelingt mir das besonders gut.

Wie so viele andere (meiner Generation) war und bin ich von der Kommisar-Beck-Reihe von Maj Sjöwall und Per Walhöö begeistert. Die beiden haben den Schwedenkrimihype zu recht begründet. Danach habe ich so manchen Krimi schwedischer Autoren gelesen, natürlich auch Henning Mankells Wallander. Die Fernsehverfilmungen habe ich dank des großartigen Rolf Lassgård gut ertragen (der übrigens in einer der inflationären Kommisar-Beck-Fernsehhäppchen überzeugend den grimmigen Gunvald Larsson gab). Ich mag die Krimis von Mankell. Seine Wallanderkrimis kennzeichnen Schilderungen brutaler Gewaltverbrechen sowie eine bemerkenswerte Lebensuntüchtigkeit seines Helden, die diesem allerdings erst hilft, die Fälle auf seine Weise zu lösen. Kurt Wallander als gebrochener Held eignet sich nur sehr eingeschränkt zur Identifikation.

Daher war es wohl ein Seufzer der Erleichterung, der die Zeitschrift "Cosmopolitan" urteilen ließ: "Vergessen Sie Mankell! Leif GW Persson ist Schwedens bester Kriminaler" (zitiert von den Buchrücken der Persson-Bände bei BTB). Tatsächlich vermittelt Persson eine ganz andere Atmosphäre. Nicht nur sind die Fälle, die seine Protagonisten beschäftigen, weniger bluttriefend. Persson schreibt in einem lakonisch ironischen Stil, der sehr wohltuend ist, nachdem man die ernst gemeinte sozial- und systemkritische Betroffenheit von Sjöwall/Walhöö geteilt und anschließend überwunden hatte.

Wobei Persson Per Walhöö in bissiger Kritik nicht nachsteht. Aber er tut dies in einem sehr beiläufigen, fast plaudernden Ton. Seine Helden sind abgeklärt. Perssons Bücher werden des öfteren als viel zu langatmig und langweilig beschrieben, eine Kritik, die ich nicht nachvollziehen kann. Mir gefällt im Gegenteil diese epische Breite, in der Persson seine Geschichten sich entwickeln lässt. Mir gefällt, dass sich Teile der Handlung nur in den Gedanken der verschiedenen Akteure entwickelt, die sie für sich behalten. Man muß aufpassen und genau auf das achten, was zwischen den Worten zu lesen ist. Vieles wird auch nicht endgültig gelöst, sondern bleibt als Verdacht, als Hypothese im Raum stehen. Dieser Effekt ist durchaus beabsichtigt, wie Persson im Interview zugab: "Die besten Geschichten sind doch die, wo man nicht genau weiß, was daran wahr ist und was nicht".

In seinem Buch "Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters" liefert Persson eine Aufklärung des Palme-Mordes. Er zeigt den Vorzeigelinken Olof Palme als ehemaligen CIA-Zuträger und deutet auf ein Motivgemenge aus der Geheimdienstecke. Interessant wird das Geschriebene vor dem Hintergrund, dass Persson, Professor für Kriminologie, lange Jahre für die schwedische Polizei und das Innenministerium arbeitete. Auch der Band "Ein andere Zeit, ein anderes Leben" verarbeitet Zeitgeschichte, nämlich den Überfall deutscher Terroristen auf die deutsche Botschaft in Stockholm 1975. Hier geht es um Vergangenheitsbewältigung ehemaliger Linker, die sich in der schwedischen Gesellschaft etabliert haben und aufgrund des Mauerfalls und der Öffnung der Stasiarchive mit ihrer Vergangenheit konfrontiert werden. Äußerst lesenswert.

Hier eine Diskussionsrunde mit Leif GW Persson, in der es um den Palmemord geht (vielleicht versteht jemand Schwedisch?):



Dieses Video ist ein wenig älter, nämlich aus 1981, ebenfalls ein Fernsehgespräch (wir werden alle älter) :

Montag, 18. August 2008

Das kleine Paradies um die Ecke



In Wiesbaden zu leben hat verschiedene Vorzüge. Einer davon ist die Nähe des Rheins. Auch ohne zum Romantizismus zu neigen, kann ich mich der Faszination des Wassers nicht entziehen. In unvorstellbar langer Zeit hat dieses Gewässer sich seinen Weg gegraben. In einer nie aufhörenden Reise kleiner Wassertropfen auf ihrem Weg ins Meer. Ich empfinde es als ein Privileg, am Ufer des Rheins sitzen zu können und dem Fluss beim Fließen zuzuschauen. Zum Beispiel am Rheinufer in Heidenfahrt.




Hier kommen viele Menschen her. Es gibt Weinschorle, Apfelwein, Bier, aber auch frischen Flammkuchen oder fetttriefende Wurst, Kaffee und Crepes. Man hockt auf Bänken oder sitzt auf Stühlen, die sich die Leute so nahe wie möglich ans Wasser rücken. Nebenan ist ein kleiner Campingplatz. Ich beneide diejenigen, die ihre Zelte oder Wohnwagen hier aufgestellt haben und Zeit haben, dem Rhein zuzuschauen. Besonders am Abend, wenn die Sonne hinter dem Rheingaugebirge untergeht.

Bloggen, zweiter Versuch

Nach einem guten Jahr wiesbaden-blogger.de hatten wir das Projekt im Winter einvernehmlich sterben lassen. Seitdem juckt es mich in den Fingern, ein neues Blog zu starten, in das ich die Dinge schreibe, die mir mitteilenswert erscheinen. Nicht unbedingt nur, wie der Titel behauptet, zum Leben in dieser sonderbaren Stadt, sondern zum Leben in dieser sonderbaren Welt überhaupt. Wie stets beim Bloggen, schreibe ich für mich und werde sehen, ob ich meine Leser finde, und diese mich. I declare this blog opened.

Herr Müllerr

Ich habe neulich ein paar alte Filme von Louis de Funès angeschaut. Darauf hin habe ich nachgesehen, was in Youtube an Ausschnitten seiner Filme so herumgeistert und bin auf dieses Kleinod gestoßen: